internet world, 9/02, S. 55

Die Entscheidung

Das Landgericht Trier verurteilte den privaten Betreiber einer Homepage es zu unterlassen, die Aufstellung ehrverletzender Behauptungen über einen Steuerberater in seinem Gästebuch zu dulden und verpflichtete ihn, das Gästebuch in Abständen von höchstens einer Woche zu überprüfen sowie Einträge Dritter mit einem solchen Inhalt zu löschen.

In dem Gästebuch eines beklagten Homepageinhabers erschien ein Eintrag eines anonymen Absenders, der den mit Namen und Anschrift benannten Kläger aufforderte, aufzupassen, „ob es was bringt, Steuerbetrug und Geldwäsche zu betreiben“. Der Eintrag erschien am 24.01.2000 und war mindestens bis zum 23.02.2000 im Internet abrufbar.

Als wohl erstes deutsches Gericht stellte es für den Betreiber einer privaten Homepage fest, dass dieser in regelmäßigen Abständen von höchstens einer Woche sein Gästebuch auf rechtswidrige Einträge zu überprüfen habe.

Zwar sei der Beklagte zunächst nur Diensteanbieter im Sinne des § 2 Nr. 2 und § 5 Abs. 2 Teledienstegesetz (TDG [alte Fassung]) infolgedessen er für fremde Inhalte nur dann verantwortlich ist, wenn er von diesen Inhalten Kenntnis hat, des Weiteren ihm technisch möglich und zumutbar ist, deren Benutzung zu verhindern.

Das Gericht vertrat jedoch die Auffassung, dass ein Homepagebetreiber, der eine regelmäßige Kontrolle der Einträge unterlässt, sich die Inhalte seines Gästebuches zu eigen mache und daher als Anbieter eigener Inhalte gem. § 5 Abs. 1 TDG unmittelbar haftet.

Urteilsanalyse & Praxistipps

Zwar handelt es sich bei der Entscheidung des Landgerichts Trier erst um ein einzelnes Urteil zum Zeitraum der Überprüfungspflicht eines Gästebuches. Das Trierer Gericht wurde indes durch das Oberlandesgericht Koblenz durch ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil bestätigt, infolgedessen das OLG im Rahmen der auch dort vorzunehmenden Rechtsprüfung offensichtlich ebenfalls eine Überprüfungspflicht von einer Woche für angemessen erachtete (Urteil vom 16.05.2002 – 6 U 985/01). Aus der Zurückweisung der Berufung durch Versäumnisurteil ergibt sich weiterhin, dass das Oberlandesgericht ferner keine Einwände gegen die Zurechnung zunächst fremder Inhalte mangels Kontrolle als eigene Inhalte nach § 5 Abs. 1 TDG hatte.

Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang, ob die „billigende Inkaufnahme“ eines rechtswidrigen (fremden) Inhalts bereits als „positive Kenntnis“ im Sinne des § 5 Abs. 2 TDG a.F. gilt. Die bisher herrschende Meinung geht davon aus, dass für eine Haftung positive Kenntnis erforderlich ist, so dass eine Überprüfungspflicht nicht besteht. Folgerichtig reicht somit eine fahrlässige Unkenntnis i.S. eines „Kennenmüssens“ nicht aus, um eine Haftung zu begründen.

Da dieses Ergebnis rechtspolitisch zumindest für bestimmte Fallkonstellationen unbillig sein kann, umschiffte das Gericht diese Diskussion durch Einordnung als „eigenen Inhalt“, sodass es auf die rechtlichen Anforderung an die Kenntnis nicht mehr ankam.

Feststellen lässt sich mit Blick auf die Entscheidungen des OLG Köln (Steffie Graf ./. MSN) und OLG München (Midi-Files ./. AOL), dass der Trend, hin zu einer schärferen Haftung von Homepage-Inhabern, durch die Trierer Entscheidung weitergeführt wird.

Geht man indes zum einen von der bisherigen herrschenden Meinung aus und berücksichtigt zum anderen die Novellierungen von TDG und MDStV, so dürfte nach Ansicht des Verfassers jedenfalls in Zukunft eine Überprüfungspflicht, wie vom LG Trier festgestellt, zumindest nach geltendem Recht nicht (mehr) bestehen.

Der neugefasste § 8 TDG stellt ausdrücklich klar, dass Anbieter für eigene Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen haften (Abs. 1), dagegen eine Pflicht zur Überprüfung gespeicherte Inhalte nicht besteht (Abs. 2). Nach der Richtlinienbestimmung dürfen die Mitgliedstaaten Diensteanbietern im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 E-Commerce-Richtlinie (ECRL) keine allgemeine Verpflichtung auferlegen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten fremden Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (BT-Drucksache 14/6098, S. 23).

Nach § 11 TDG, der dem ehemaligen § 5 Abs. 2 entspricht, sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird.

Da eine Überprüfungspflicht ausgeschlossen wird, dürfte eine Zurechnung von Gästebuchbeiträgen Dritter als eigene Inhalte somit zumindest nach der neuen Gesetzeslage ausscheiden.

Für diejenigen, die angesichts der dargestellten Entscheidung jegliches Risiko vermeiden möchten, ist zu empfehlen, ein Gästebuch nach den statuierten Vorgaben unter Einhaltung der Wochenfrist zu kontrollieren. Ergänzend ist von Bedeutung, dass das Gericht bei einer rein privat betriebenen Webseite einen Wochenzyklus noch für ausreichend erachtete. Soweit es sich um gewerbliche Seiten mit erhöhtem Aufkommen von Beiträgen handelt, dürfte unter Anlegung der Wertung des LG Trier ein kürzerer Rhythmus erforderlich sein.

Nach der hier vertreten Ansicht bedarf es aus den dargestellten Gründen jedenfalls nach der neuen Rechtslage indes keiner Überprüfung, es sei denn es sind andere Umstände vorhanden, die erkennen lassen, dass sich der Anbiete des Gästebuches mit dessen Inhalten solidarisiert. Dann ist er so zu behandeln, als sei er ein Content-Provider nach § 8 Abs. 1 TDG.

In jedem Falle sollte ein Hinweis dahingehend erfolgen, wonach der Anbieter sich von den Einträgen im Gästebuch distanziert und diese als offene Plattform nicht die unbedingt die Meinung des Anbieters widergeben.

Wichtig ist allerdings darauf hinzuweisen, dass nach Erlangung der Kenntnis – z.B. durch Mitteilung des Verletzten – rechtswidrige Inhalte unverzüglich entfernt werden müssen, um einer Haftung zu entgehen.

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