(Rauschhofer Online 13.12.00) Am 16.11.2000 verkündete das Landgericht München I eine Entscheidung, wonach die Verwendung der Domain „rechtsanwaelte.de“ durch eine Rechtsanwaltskanzlei gegen das Wettbewerbsrecht verstieße, da in der Verwendung der Domain eine wettbewerbswidrige Behinderung des Leistungswettbewerbes zu sehen sei.

I.
Vorausgeschickt sei, dass das in dem entschiedenen Rechtsstreit ergangene Urteil auf die Domain „rechtsanwalt.de“ nicht anwendbar ist, da im Unterschied zum Angebot der Münchner Kollegen hier allen Kollegen die Teilnahme über ein Suchverzeichnis ermöglicht wird. Darüber hinaus handelt es sich bei den Seiten von Rauschhofer Online nicht um eine Kanzleipräsenz, sondern ein Online-Magazin, das eine Vielzahl von Beiträgen, Urteilen und Links zum Thema Online-Recht neben dem Rechtsanwaltssuchverzeichnis bereit hält.

II.
Festgestellt sei jedoch, dass das Urteil des Landgerichts München in mehrerlei Hinsicht Bedenken begegnet und nach diesseitiger Ansicht einer Überprüfung nicht stand halten wird.

1.
Das Urteil des Landgerichts München I – rechtsanwaelte.de – überrascht zunächst insoweit als das Landgericht in der damaligen Entscheidung – sat-shop.com (CR 1997, S. 545) noch von einer generellen Zulässigkeit des Gattungsbegriffs ausgegangen ist.

Das diesbezüglich ständig weiter bereicherte Spektrum der Jurisdiktion reicht inzwischen von genereller Zulässigkeit, so LG München – sat-shop.com, a.a.O; OLG Frankfurt am Main – wirtschaft-online.de, NJW 1998, S. 165; LG Hamburg – lastminute.com, CR 2000, S. 617) über die nuancierte Zulässigkeit, soweit Links für Mitbewerber aufgenommen werden (OLG Braunschweig – stahlguss.de, CR 2000, S. 614 sowohl auch Hanseatisches OLG – mitwohnzentrale.de, MMR 2000, S. 40).

Neu hinzugekommen ist die Entscheidung des Landgerichts München I – autovermietung.com (Urteil vom 24.09.2000, Az.: 4 HKO 13251/00), die wiederum von einer Zulässigkeit der beschreibenden Angabe „Autovermietung“ ausgeht.

Die Domain-Rechtssprechung zu Gattungsbegriffen darf somit nach wie vor als uneinheitlich bezeichnet werden.

2.
a) Fraglich erscheint zunächst, ob das Landgericht München in der hier behandelten Entscheidung zu dem angesprochenen Verkehrskreis der Internetnutzer zu rechnen ist und ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens Feststellungen von Nutzergewohnheiten treffen konnte. Das Nutzerverhalten ist noch weitgehend unerforscht, so dass auch hier die Feststellungen des Hanseatischen OLG zu mitwohnzentrale.de revisionsrechtlich durch den BGH zu überprüfen sind.

b) Unabhängig davon muss jedoch als zweifelhaft bewertet werden, dass – einen Kanalisierungseffekt unterstellt – ein sittenwidriger Wettbewerbseingriff anzunehmen ist.

Allgemein bekannt und im Internet üblich ist, dass Anbieter der jeweiligen Branche beschreibende Begriffe als Domain für ihre Waren oder Dienstleistungen nutzen (z.B. rechtsschutz.de, buch.de, reise.de, lastminute.de, etc.). Der daraus entspringende Wettbewerbsvorteil kann nicht allein darin gesehen werden, dass Nutzer auf der Homepage des Domain-Verwenders verweilen und aufgrund der (unterstellten) Bequemlichkeit eines Nutzers dadurch Mitbewerber ausgeschlossen würden. Wie oben angesprochen scheint hier die Beschreibung des Nutzerverhaltens in tatsächlicher Hinsicht überprüfungswürdig.

In rechtlicher Hinsicht fehlt darüber hinaus eine Auseinandersetzung des Gerichts mit dem Umstand, dass Wettbewerbsvorsprünge auf persönlicher Anstrengung, Tüchtigkeit, Glück oder Zufall beruhen können und nicht per se wettbewerbswidrig sind.

Dem im vorliegenden Fall gegebenen Leistungswettbewerb liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die „Startchancen“ im wirtschaftlichen Wettbewerb nicht gleich sein können. Folgerichtig kann ein Überflügeln eines Wettbewerbers mit leistungsgerechten Mitteln die Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung nicht begründen, und zwar auch dann nicht, wenn Mitbewerber vom Markt verdrängt oder vernichtet werden oder sogar der Bestand des Wettbewerbs auf dem Markt gefährdet oder aufgehoben wird (Baumbach/Hefermehl, UWG-Einleitung, Rz. 110). Die Registrierung von beschreibenden Domain-Namen unterlag und unterliegt nach wie vor keiner spezialgesetzlichen Regelung, so dass eine Registrierung nicht gegen geltendes Recht verstößt.

Der Unwert eines wettbewerblichen Verhaltens lässt sich weiterhin nicht aus den möglichen Folgen herleiten, die der Wettbewerb seiner Natur nach mit sich bringen kann (Baumbach/Hefermehl, a.a.O.). Dabei ist jede Beeinträchtigung des Mitbewerbers erlaubt, die der Wettbewerb seiner Natur nach mit sich bringt, vorausgesetzt, dass dies mit erlaubten Mitteln geschieht (Baumbach/Hefermehl, Allg, Rz. 21). Eine diesbezügliche Auseinandersetzung mit den Grundprinzipien der Wettbewerbsfreiheit durch das Gericht ist nicht erkennbar.

Weiterhin ließ das erkennende Gericht unbeachtet, dass es nicht auf die Domainbezeichnung allein ankommt, sondern sämtlichen Mitbewerbern es freisteht, sich unter ähnlichen oder anderen Adressen im Internet zu präsentieren.

Als Gemeingut kann zwischenzeitlich angesehen werden, dass der Erfolg einer Internetpräsenz, wie die Beispiele Yahoo, Lycos oder eBay zeigen, nicht zuletzt von deren Bewerbung abhängt. Mit täglich vielen Millionen Seitenabrufen durch Verkehrsbekanntheit der vorgenannten Plattformen widerlegen diese Beispiele, dass es für den Erfolg einer Seite lediglich auf die Domain ankommt. Eine „gute“ Domain bringt lediglich einen gewissen Wettbewerbsvorteil mit sich, der sich in niedrigeren Anlaufinvestitionen für einen Markenauftritt dokumentiert.

Als ebenfalls bekannt zu unterstellen ist, dass der Erfolg einer Homepage in Form einer großen Anzahl von Seitenabrufen im wesentlichen davon abhängt, dass Nutzer interessante bzw. die von ihnen gewünschten Informationen vorfinden. Aufgrund des angebotenen Inhalts wird eine Seite dann von anderen Anbietern als „wertvoll“ eingestuft und eine Verknüpfung zur Seite des Domain-Verwenders gesetzt.

Zudem muss als wesentliches Argument gegen die Entscheidung des Landgerichts München I angeführt werden, dass ein Wettbewerbsvorsprung nicht gleichzeitig die Verdrängung eines Wettbewerbers indiziert. Standortvorteile wie eine einprägsame Domain, die in der körperlichen Welt mit einer 1-A-Lage einer Fußgängerzone oder Einkaufsmeile verglichen werden kann, führt nicht dazu, dass ein Lage-/Standortvorteil gegenüber Geschäftsräumen, die sich im Hinterhof einer Seitenstraße befinden, als wettbewerbswidrig bezeichnen läßt.

Mitbewerbern steht es gegenüber den besseren „Lauflagen“ frei, durch gute Geschäftsideen oder bessere/günstigere Leistungen im Wettbewerb zu bestehen. Sind sie dazu nicht in der Lage, werden sie verdängt, wie beispielsweise der Schwund an „Tante-Emma-Läden“ zeigt.

Eine Domain lässt sich insoweit auch mit einer Geschäftsidee vergleichen, die ebenfalls als Teil des Leistungswettbewerbs zu einem Vorsprung, aber keiner wettbewerbswidrigen Behinderung führt.

3.
Schließlich überrascht es, dass im Urteil keine Auseinandersetzung mit den bisher ergangenen Entscheidungen der oben genannten Gerichte erfolgt. Angesichts der sehr differenzierte Entscheidung des LG Hamburg – lastminute.com – wäre zumindest eine Diskussion wünschenswert gewesen. Das Hamburger Gericht trägt dem Nutzerverhalten im Internet zutreffend Rechnung, indem es feststellt, dass jeder Internetnutzer zunächst anonym und unverbindlich über die auf einer Homepage dargestellten Leistungen sich unterrichten kann, ohne in direkten Kontakt mit dem Anbieter treten zu müssen. Das Gericht führte dazu aus:

„Der Verkehr weiß, dass es unterschiedliche Anbieter (für Last-Minute-Reisen) gibt, und würde daher auch durch das Auffinden von Angeboten unter der Gattungsbezeichnung „Lastminute“ nicht davon abgehalten, weitere Angebote zu sichten“.

Das Landgericht Hamburg verneint zu recht das Abfangen von Kunden, da diese sich im Internet nicht der physischen Präsenz eines Verkäufers ausgesetzt sehen, sondern völlig frei und anonym mit einem höchst geringen körperlichen und finanziellen Aufwand weitere Angebote einholen können.

Diese Feststellungen treffen sowohl die tatsächliche als auch rechtliche Situation vollumfänglich, so dass zum einen die bereits eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht München als auch die Feststellungen des BGH in der angenommenen Revision zu mitwohnzentrale.de abzuwarten bleibt.

Links zum Thema:

JurPC Web-Dok. 235/2000
Heise Online
Focus Online
Computerchannel
Internet Intern
Stellungnahme Graefe & Partner