Internet World Business, 12-2008 , Seite 10

Im Rahmen der bisherigen Beiträge wurde bereits erläutert, mit welchen taktischen Varianten man im Falle einer (teilweise oder nicht) berechtigten Abmahnung vorgehen kann. Neu ist nunmehr eine Entscheidung des Landgerichts Bückeburg, das in einer klaren Sprache einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit zurückgewiesen hat und im Rahmen der Urteilsbegründung eine Vielzahl von Anhaltspunkten gegeben hat, die eine Rechtsmissbräuchlichkeit indizieren können (Az.: 2 O 62/08).

Urteilsanalyse

Ein stationärer Einzelhändler in Bautzen ging gegen einen gewerblichen eBay-Anbieter im Wege der Abmahnung und einstweiligen Verfügung vor. Der Abmahner trug vor, dass er angeblich durch einen Kunden auf das rechtswidrige eBay-Angebot hingewiesen worden sei. Am selben Tag will der Abmahner dann die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Internetanbieters überprüft und seinen Rechtsanwalt eingeschaltet haben, der noch am gleichen Tag die Abmahnung ausfertigte und an den eBay-Anbieter übermittelte.

Allein aus diesem Verhalten leiteten die Bückeburger Richter ein Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit her, da es völlig unverständlich war, dass der Abmahner unter großer Eile einen solchen Aufwand betrieben hat, wenn es ihm nicht ausschließlich oder überwiegend darum ging, Abmahnungs- oder Rechtsverfolgungskosten zu verursachen. Als Motiv sei vielmehr denkbar, dass der Abmahner Angst hatte, andere Personen würden seiner Abmahnung zuvorkommen.

Als weiteres Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung stellte das Gericht auf die Rechtsanwaltskosten ab, die „nach einem abenteuerlich überhöhten Gegenstandswert von EUR 100.000,– berechnet wurden“. Im Kontext des Vorgesagten leitete das Gericht den derart überhöhten Wert aus dem einzig und alleinigen Interesse der möglichst hohen Gebühren ab und bewertete dies zudem als wohl strafbare Gebührenüberhebung.

Auch enthielt die Abmahnung ganz überwiegend allgemein gehaltene, tatsächlich und rechtlich nur bedingt konkrete Ausführungen und es wurden vor allem nicht selten festzustellende Verstöße gerügt.

Auffällig sei auch, „dass sich die Abmahnung gegen ein vergleichsweise kleines, wirtschaftlich eher unbedeutendes Unternehmen richtet“, wobei davon auszugehen ist, dass ein solcher Gegner sich gegen eine Abmahnung weniger zur Wehr setzen wird, als ein wirtschaftlich potenter Gegner. Auch sprächen die auf Grund der Aktennummer nachvollziehbaren über 900 Fälle einer Einzelkanzlei bis Mitte Februar dafür, dass bei einem Durchschnitt von über 500 Fällen pro Monat nur eine massenweise wettbewerbsrechtliche Abmahnungspraxis dahinter stecken könne.  „Zwar ist eine umfangreiche Abmahntätigkeit allein noch kein Indiz für einen Missbrauch. Ein solcher ist aber dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit steht“, so die Richter.

Praxistipp

Es zeigt sich, dass durch eine dezidierte Sachverhaltsaufbereitung selbst im Falle materiell-rechtlicher Rechtsverletzungen eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht ohne weiteres begründet sein muss. Herauszustreichen ist gleichwohl, dass es sich stets um die Bewertung eines Einzelfalls handelt und § 8 Abs. 4 UWG als Missbrauchstatbestand die Ausnahme darstellt, für den der angegangene Anbieter beweispflichtig ist.

Im Falle einer Abmahnung, bei der zumindest ein „Anfangsverdacht“ für eine Rechtsmissbräuchlichkeit besteht, sollte schnell gehandelt und zunächst deren Hintergründe recherchiert werden. Liegen belastbare Anhaltspunkte vor, sollte dem Abmahner die Rechtsmissbräuchlichkeit seiner Abmahnung vorgehalten werden und gegebenenfalls bei fehlender Wettbewerbswidrigkeit negative Feststellungsklage angedroht werden.

Ein Liste mit Indizien findet sich im Internet als Webcode.

Webcode Tipps

Als Indizien für die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung dienen daher folgende Positionen:

  1. Höhe des Streitwerts; bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen im eBay- oder einfachen Internetbereich sind Streitwerte zwischen EUR 6.000,– und 20.000,– angemessen; darüber hinaus gehende Streitwerte sind – anders in Markensachen – häufig überhöht.
  2. Anzahl der Abmahnungen; hier hilft eine Recherche im Internet bei den einschlägigen Seiten oder in News-Foren.
  3. Kleines Unternehmen als Abmahner mit grundsätzlich wenig Interesse an Wettbewerbsverfolgung im Verhältnis zu seiner Geschäftstätigkeit.
  4. „Zielgruppe“ der Abmahnung kleine und kleinere Internethändler.
  5. Zeitliches Zusammenliegen einer Vielzahl von Abmahnungen.
  6. Allgemeine tatsächliche und rechtliche Ausführungen im Rahmen der Abmahnung mit nur geringem Eingehen auf den konkreten Einzelfall.