12 O 428/98

Verkündet am 12.11.1998

K.
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

LANDGERICHT BREMEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

erkennt die 2.Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 1998 durch den

Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. W.

für Recht

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Antragstellerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 8.000,00 abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor Beginn der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

TATBESTAND

Die Parteien streiten um die Berechtigung zur Nutzung einer Domain-Adresse im Internet.
Die Antragstellerin ist seit Jahren eine bundesweit tätige Anbieterin von Weinpräsentkartons. Sie tritt im geschäftlichen Verkehr unter der im Rubrum angegebenen Firm auf und wollte jüngst die Domain-Adresse „henne.de“ als Zugang zum Internet für sich eintragen lassen. Sie erhielt vom Deutschen Network Information Center (DENIC Karlsruhe, der Vergabestelle für Domain-Adressen in Deutschland, die Mitteilung, daß der Name bereits für den Antragsgegner registriert sei. Der Antragsgegner ist Student der Medieninformatik und arbeitet freiberuflich als Entwickler/Programierer für Software, speziell im Bereich der Entwicklung und Gestaltung von Internet Applikationen. Er ließ im Jahre 1979 die Domain-Adresse „henne.de‘ für sich registrieren und nutzt sie seither sowohl privat als auch im Rahmen seiner freiberufliche Tätigkeit.
Die Antragstellerin trägt vor, eine Domain-Adresse sei im Sinne von § 12 BGB untrennbar mit der dahinter stehenden natürlichen oder juristischen Person verbunden. Die ursprünglich aus längeren Zahlenfolgen bestehenden Zuordnungen der Homepage im Internet seien aus Gründen der Anwenderfreundlichkeit durch „griffige“ Bezeichnungen ersetzt worden. Diese hätten Namensfunktion. – Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner verfüge, im Gegensatz zu ihr, über keine namensrechtliche Beziehung zu dem Namen „Henne“. Die Verwendung der Domain-Adresse „henne.de“ durch den Antragsgegner führe zu einer Zuordnungsverwirrung und verletze sie in ihrem Namensrecht (§ 12 BGB). Sie behauptet weiter, der Antragsgegner habe sich die Domain-Adresse „henne.de“ lediglich mit dem Ziel eintragen lassen, das Nutzungsrecht an diesem Internet-Zugang später zu einem überzogenen Preis an sie – die Antragstellerin – zu veräußern. Sie ist deshalb der Ansicht, daß hier ein typischer Fall des sogenannten „Domain-grabbing“ vorliege.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, es bei Meidung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

im Intemet den Domain-Namen „henne.de‘ weiterzuverwenden.

Der Antragsgegner beantragt,-

den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Er behauptet, er werde in Abwandlung seines Vornamens Hendrik seit seiner Kindheit von Verwandten, Bekannten und Freunden „Henne“ genannt und sei allenthalben unter diesem Spitznamen bekannt. Das gelte auch für die Geschäftskreise, in denen er verkehre. Zur Glaubhaftmachung legt er eine eigene schriftliche Erklärung sowie schriftliche Erklärungen seines Bruders und eines Freundes vor (jeweils mit Versicherung der Richtigkeit an Eides Statt). Der Antragsgegner meint, daß einem Spitznamen ebenso

wie einem Künstlernamen der Schutz des § 12 BGB gebühre. Die Antragstellerin habe folglich kein besseres Recht auf den Namen „Henne“ als er, zumal sie unter diesem Namen weder Verkehrsgeltung noch auch nur einen herausragenden Bekanntheitsgrad erlangt habe. Sie sei allenfalls in den Verkehrskreisen bekannt, die Weinpräsentkartons benötigten. Schließlich ist der Antragsgegner der Auffassung, daß der Namensschutz im Bereich der Internet-Domains nicht greife; Domain-Adressen seien mit Telefonnummern vergleichbar. Ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch der Antragstellerin bestehe schon deshalb nicht, weil er – der Antragsgegner – in einem völlig anderen geschäftlichen Bereich als die Antragstellerin tätig sei.
Wegen der Einzelheiten des Parteienvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die KIage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Das Landgericht Bremen ist örtlich zuständig. Die Antragstellerin macht einen Unterlassungsanspruch aus dem Namensrecht (§ 12 BGB ) geltend ; ein solcher könnte sich auch aus den §§ 5, 15 MarkenG und § 1 UWG ergeben, so daß der Gerichtsstand aus den §§ 32 ZPO, 141 MarkenG, 24 UWG folgt. Namensrechtliche und markenrechtliche Verletzungshandlungen sowie Wettbewerbsverstöße sind unerlaubten Handlungen im Sinne der §§ 823 f BGB gleichzustellen; für ihre Bekämpfung ist ein Gerichtsstand überall dort begründet, wo die inkriminerten Handlungen begangen worden sind oder – bei der Beanspruchung vorbeugenden Rechtsschutzes wo die Begehung einer solchen Handlung ernsthaft droht. Da die Antragstellerin durch die beanstandete Reservierung des Domain-Namens „henne.de“ unmittelbar betroffen ist gilt für sie die Beschränkung des § 24 Abs. 2 UWG nicht. Begehungsort für namens-, marken- und wettbewerbsrechtliche Verletzungshandlungen im Internet ist nicht nur der Standort des Servers, des Gerätes also, das die jeweilige Homepage vorhält, sondern jeder Ort , an dem die Informationen abgerufen und empfangen werden können, also zweifelsfrei auch Bremen.
2. Ein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 5 Abs. 1 und 2, 15 Abs. 2 MarkenG scheidet schon deshalb aus, weil die Unternehmens-/Tätigkeitsfelder der Parteien so weit voneinander entfernt sind, daß eine Verwechslungsgefahr – auch über eine Domain-Adresse im Internet – nicht in Betracht kommt. Die Antragstellerin will zwar
die führende Anbieterin von Weinpräsentkartons sein; nimmt freilich gewiß in richtiger Einschätzung der Lage – nicht für sich in Anspruch, mit dem Firmenbestandteil „Henne“ in weiteren Bevölkerungskreisen als den Abnehmern von Weinpräsentkartons bekannt geworden zu sein.
Auch ein Anspruch aus § 12 BGB ( Verletzung des Namensrechts) steht der Antragstellerin nicht zu. Zwar kann sie als GmbH Namensrechtsschutz nach § 12 BGB beanspruchen; der Firmenbestandteil „Henne“ ist der als Firmenschlagwort eingeführte Name, unter dem die Antragstellerin (unstreitig) seit Jahren im Geschäftsverkehr auftritt und unter dem sie ihre Waren und Dienstleistungen anbietet. Der Antragsgegner hat das Namensrecht der Antragstellerin indes nicht verletzt. Namensschutz ist auch für Domain-Adressen im Internet grundsätzlich möglich.
Technisch gesehen stellt die Internet-Adresse (der Domain-Name) nur den Kommunikationsweg dar, der zu der gewünschten Homepage führt. Insoweit ist der Domain-Name eher mit einer Telefonnummer vergleichbar. Nachdem aber der ursprünglich binäre Zahlencode im Interesse der Benutzerfreundlichkeit durch eine, Buchstabenkennung ersetzt worden ist, besitzen die Domain-Namen, anders als Telefonnummern, ein ausgeprägtes Identifikationspotential. Domain-Namen werden denn auch bewußt zur Identifizierung des Inhabers der Homepage eingesetzt. Es wird mit der aus einem Namen bestehenden Domain-Adresse regelmäßig zum Ausdruck gebracht, daß der Namensinhaber gleichzeitig Inhaber der Internet-Adresse und der damit verbundenen Homepage ist.
So verhält es sich auch mit dem Domain-Namen „henne.de“ im Verhältnis zum Firmenschlagwort „Henne“; es liegt für die Antragstellerin, die unter dieser Kurzbezeichnung im Geschäftsverkehr auftritt, nahe, die Bezeichnung „henne.de“ als Domain-. Der Antragsgegner hindert sie daran, indem er die Kennung „henne. de“ für sich als Domain-Adresse hat registrieren lassen. Gleichwohl ist dem Antragsgegner ein Namensmißbrauch schon deshalb nicht vorzuwerfen, weil er glaubhaft dargetan hat, den Namen „Henne“ für sich beanspruchen zu dürfen: Er fährt seit seiner Kindheit den Spitznamen „Henne“ – abgeleitet von Hendrik -, und ist unter diesem Spitznamen im Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis wie auch im geschäftlichen Leben bekannt geworden. Unter diesen Umständen kann es ihm nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er selbst sich bei der Präsentation im Internet seines Spitznamens bedient. Dieser begleitet einen Menschen ebenso wie ein Pseudonym oder ein Künstlername. Die Antragstellerin hat folglich gegenüber dem Antragsgegner kein „besseres“ Recht auf den Namen „Henne“ soweit es um dessen Individualisierungsfunktion geht.
Im übrigen wäre das Verhalten des Antragsgegners auch dann nicht gemäß § 12 BGB zu beanstanden, wenn er nicht den Spitznamen „Henne“ trüge. Denn der Antragsgegner maßt sich nicht den Namen der Antragstellerin an; er hindert sie lediglich daran, ihn ohne Zusätze als Kennung im Internet zu nutzen. Für die Antragstellerin liegt es zwar nahe, „henne.de“ als Domain-Adresse im Internet zu fuhren, eine namensrechtliche Exklusivität kann sie freilich insoweit nicht für sich in Anspruch nehmen. Sie könnte der Registrierung der Domain-Adresse „henne. de“ durch den Antragsgegner nur dann mit Erfolg entgegentreten, wenn sein Verhalten mit einem Handlungsunrecht zu belegen wäre, er etwa die beanstandete Kennung gewählt hätte, um die Antragstellerin zu behindern oder sie unter wirtschaftlichen Druck zu setzen und sie etwa zu veranlassen, ihm die Domain-Adresse abzukaufen. Dafür bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte: Die Antragstellerin vertilgt nicht über einen bis nach Warstein – dem Wohnsitz des Antragsgegners – bekannt gewordenen Namen, so daß nichts darauf hindeutet, daß der Antragsgegner mit seiner Handlungsweise die Absicht verfolgt hat, der Antragstellerin zu nahe zu treten und sie zu veranlassen, ihm die Domain-Adresse abzukaufen (sogenanntes Domain-grabbing).
Nach alledem bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsgegner ohnehin kein Mitbewerber der Antragstellerin – durch die Registrierung der Domain-Adresse „henne. de“ gegen § 1 UWG verstoßen haben könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO,> die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

gez. Dr. W.

Für die Ausfertigung:

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts