Internet World Business, 12/05, S. 12

Der Große Senat des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen hatte jüngst die Vorlagefrage des I. und X. Senats zu entscheiden, inwieweit ein Abmahner für eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung aus Immaterialgüterrechten (d. h. insbes. Marken-, Urheber- und Patentrechte), haftet. Die Richter entschieden zusammengefasst, dass wegen der von einer unbegründeten Verwarnung ausgehenden Gefahr für Wirtschaft und Wettbewerb es einer Sanktion in Form einer Haftungsfolge für unberechtigte Verwarnungen bedarf (Az.: GSZ 1/04).

Urteilsanalyse

Im Rahmen der Urteilsbegründung stellte der Große Zivilsenat darauf ab, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Betroffenen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen kann. Daher sei der Schutzrechtinhaber dazu angehalten, vor einer Unterlassungsaufforderung die gebotenen, von ihm zu erwartenden und ihm zumutbaren Prüfungen zur Berechtigung seines Verlangens vorzunehmen. Speziell bei Abnehmerverwarnungen, bei denen der Eingriff besonders schwerwiegend sei, müsse der Hersteller geschützt werden, da angesichts sich schnell verändernder Märkte eine Wiederaufnahme einer einmal beendeten Kundenbeziehung nur schwer möglich sei und daher zu einem erheblichen Schaden führen kann.

Praxistipp

Jeder Inhaber eines Schutzrechts sollte vor der Abmahnung eines Mitbewerbers, vor allem aber des Abnehmers eines Mitbewerbers, sorgsam prüfen, ob eine Rechtsverletzung vorliegt. Stellt sich heraus, dass eine solche Inanspruchnahme schuldhaft unberechtigt erfolgt, können erhebliche Schadensersatzansprüche, insbesondere zur Rechtsverteidigung, im Raum stehen. Dies zeigt sich in der Praxis beispielsweise, wenn versucht wird, aus Marken, die in einer völlig anderen Waren- oder Dienstleistungsklasse geschützt sind, eine Domain zu erlangen, deren Nutzung offensichtlich keine Verwechslungsgefahr mit der Marke aufweist.

Spiegelbildlich dazu kann ein zumindest fahrlässig unberechtigt Abgemahnter die bei ihm entstehenden Schäden und Kosten der Rechtsverteidigung dem Gegner in Rechnung stellen.