Wiesbaden 26. Juli 2013

Leitsatz

LG Wiesbaden zur virtuellen Besitzentziehung (Az.: 2 O 128/13)

Ändert ein Nichtberechtigter die Zugangsdaten zu einer Internetpräsenz, kann deren Inhaber die Herausgabe des neuen Kennworts oder die Zurücksetzung in den ursprünglichen Zustand im Wege der einstweiligen Verfügung beanspruchen.

Der Fall

Im Rahmen einer Auseinandersetzung beschaffte sich der Antragsgegner das Administratorenkennwort und änderte es, so dass die für die Unternehmenskommunikation zuständigen Administratoren nicht mehr auf die Internetpräsenz des Unternehmens zugreifen, insbesondere keine Änderungen mehr an ihrer Homepage durchführen konnten.

Vergleichbar mit einer verbotenen Eigenmacht bzw. Besitzentziehung in der körperlichen Welt, gab das Landgericht Wiesbaden dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Herausgabe, somit eine Leistungsverfügung, antragsgemäß statt, sodass unter der entsprechenden Androhung der Antragsgegner die Zugangsdaten herauszugeben hatte.

Die Entscheidung ist – soweit ersichtlich – die erste Entscheidung eines Gerichts auf Herausgabe von Zugangsdaten einer Internetpräsenz im Wege der einstweiligen Verfügung, die sich unter dem Schlagwort der virtuellen Besitzentziehung katalogisieren lässt.

Die Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden ist aus zweierlei Gründen erwähnenswert:

Zum einen zeigt sich, dass genau wie in der körperlichen Welt Inhaber von Internetpräsenzen vor dem unrechtmäßigen Austausch von Kennwörtern entsprechend geschützt sind.
In der Praxis kommen solche Handlungen auch bei Streitigkeiten zwischen den Inhabern einer Unternehmenspräsenz und einem beauftragten Dienstleister vor, der zur „Durchsetzung“ seiner regelmäßig streitigen Forderungen meint, Zugänge sperren zu können.

Die Entscheidung hat somit auch hier entsprechende Ausstrahlungswirkung auf solche Fallkonstellationen, da auch hier eine virtuelle Besitzentziehung durch Änderung von Zugangsdaten, vergleichbar mit dem Austausch von Schlössern in einem Haus, erfolgt.

Zum anderen ist die Entscheidung deshalb besonders, weil sich – soweit ersichtlich – trotz der in der Praxis immer wieder vorkommenden Fallkonstellation dazu kein Präzedenzfall findet. Die Entscheidung ist konstruktiv und dogmatisch stringent, weil in der virtuellen Welt nichts anderes gelten kann, als bei einer Besitzentziehung bei körperlichen Gegenständen, bei denen eine Durchsetzung von Leistungsansprüchen im Wege der einstweiligen Verfügung bereits anerkannt ist.

Auf den erhobenen Widerspruch wurden in der gestrigen mündliche Verhandlung die Herausgabeanträge infolge Vollziehung für erledigt erklärt und die Tenorierung der weiteren Anträge als endgültige Regelung unter Verzicht auf die Rechte nach § 926, 927 ZPO anerkannt, so dass die Entscheidung rechtskräftig ist.

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