Internet World Business, 10/06, S. 32

Mut zur Lücke beweisen viele Unternehmen, wenn es um die Pflichten für die digitale Steuerprüfung geht. Die Praxis zeigt, dass in vielen mittelständischen Betrieben die Thematik zwar bekannt ist, es aber nach wie vor an der praktischen Umsetzung fehlt. Dabei handelt es sich um ein riskantes Spiel, wie erste Urteile und Bußgeldbescheide gegen Steuerpflichtige zeigen. Jedes Unternehmen und jeder Gewerbetreibende mit mehr als 30.000 Euro Jahresgewinn muss auf eine digitale Prüfung vorbereitet sein. Kommt ein Unternehmen seinen Verpflichtungen zur digitalen Steuerprüfung nicht nach, droht ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro. Darüber hinaus können Zwangsmittel oder Steuerschätzungen folgen.

Kleine Unternehmen im Visier

Da in letzter Zeit mehrere Unternehmen vor Finanzgerichten bezüglich der digitalen Steuerprüfung verurteilt wurden, ist zu erwarten, dass sich die digitale Prüfung immer weiter durchsetzen und nun auch kleinere Unternehmen treffen wird.

Was ist zu beachten? Jedes Unternehmen unterliegt den Buchführungspflichten. Die geführten Bücher müssen außerdem aufbewahrt und bis zu zehn Jahre lang archiviert werden, wie es in den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) festgelegt ist. Für elektronische Buchführung gelten außerdem die ergänzenden Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS). Hiernach muss das PC-gestützte Verfahren alle verarbeiteten Informationen erfassen und sie dürfen sich anschließend nicht mehr unterdrücken lassen.

Steuerrelevante Daten

Im Falle einer Prüfung hat der Steuerpflichtige dem Finanzamt außerdem Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, empfangene und abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe sowie sonstige Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, zur Verfügung zu stellen. Problematisch ist dabei, dass diese „steuerrelevanten Daten“ nicht weiter definiert sind. Im Einzelfall können daher auch E-Mails oder Attachments vorzulegen sein. Rein digital vorliegende Daten sind für die Prüfung in „maschinell auswertbarer Form“ zur Verfügung zu stellen. Nach den „Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (kurz GDPdU) ist der „wahlfreie Zugriff auf alle gespeicherten Daten einschließlich der Stammdaten und Verknüpfungen mit Sortier- und Filterfunktionen“ bereitzustellen. Konkret: Dokumente müssen immer im Originalzustand zur Verfügung stehen und zusätzlich in einem Archivformat revisionssicher archiviert werden.

Maschinelle Steuerprüfung

Spannend ist nun die Frage, in welcher Form eine Steueraußenprüfung erfolgen darf. Dies regelt § 147 Abs. 6 AO sowie die GDPdU. Danach hat die Finanzbehörde die freie Wahl zwischen einem unmittelbaren Zugriff auf die Systeme des Steuerpflichtigen, einem mittelbaren Zugriff (indem der Steuerpflichtige nach den Vorgaben des Prüfers das System bedient) sowie der Datenträgerüberlassung, wonach der Steuerpflichtige die steuerrelevanten Daten auf „maschinell verwertbaren Datenträgern in maschinell auswertbaren Formaten“ zu übergeben hat. Die Steuerbehörden sind aber weder berechtigt, mit einem eigenen Notebook auf das System des Steuerpflichtigen zuzugreifen, noch dort ihre Prüfungs-Software aufzuspielen. Bei Überlassung eines Datenträgers unterliegen die Behörden keinem Verwertungsverbot hinsichtlich versehentlich überlassener Informationen.

Digitale Prüfung wird Standard

Die ersten Finanzgerichte haben bereits festgestellt, dass die elektronische Prüfung das neue Standardverfahren darstellt und – so das Finanzgericht Rheinland-Pfalz – ein Steuerpflichtiger die Prüfungshandlung nicht blockieren darf, nur weil er seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.

Für den IT-Verantwortlichen, vor allem aber für die Geschäftsleitung, ist es daher wichtig, sich spätestens jetzt mit der Thematik auseinander zu setzen und die Gewährleistung der Vorgaben schnellstmöglich zu erreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Management hier auch persönlich in der Haftung stehen kann und es sich gleichzeitig um eine Querschnittsmaterie aus Technik und Recht handelt. Folglich sollten in einem gemeinsamen Maßnahmenplan sowohl technische und organisatorische als auch finanzielle Maßnahmen analysiert und umgesetzt werden. Neben der „legal compliance“ können in einem solchen ILM-Projekt – teilweise überfällige – Lösungen für Content- und Knowledge-Management-Systeme auf der einen Seite, vor allem aber die Verlagerung weniger zeitnah erforderlicher Informationen von teuren Hochverfügbarkeitsspeichern auf günstigere Systeme gefunden werden. Ein Lebensversicherer muss beispielsweise sicherlich nicht alle Verträge über die gesamte Laufzeit von zwölf Jahren oder mehr mit einer Verfügbarkeit von 99,8 Prozent bereithalten.

Bei einem sorgsam aufgesetzten Projekt können GDPdU-Themen zugleich abgearbeitet werden. Es ist nämlich angesichts des Erwerbs von 14.000 Lizenzen der Prüf-Software IDEA durch die Steuerbehörden in Zukunft auf alle Fälle damit zu rechnen, dass eine intensivere und nachhaltigere digitale Steuerprüfung erfolgen wird.