Der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass im Wettbewerbsprozess den Kläger grundsätzlich nicht die Beweislast des Zugangs einer Abmahnung beim Beklagten trifft (Az.: I ZB 17/06). Damit entschied der Erste Zivilsenat die seit Langem umstrittene Frage, wer den Zugang einer Abmahnung zu beweisen hat (siehe auch INTERNET WORLD Business 3/07, Seite 27).

Von Bedeutung ist diese Frage dann, wenn ein Beklagter bei einer gerichtlichen Geltendmachung durch einen Kläger dessen Begehren durch ein sogenanntes sofortiges Anerkenntnis nach § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) anerkennt. Diese Vorschrift hat zur Folge, dass derjenige, der für eine Klage nicht Anlass gegeben hat, im Falle einer unmittelbaren Klageerhebung und einer sofortigem Anerkenntnis die Kosten des Prozesses nicht zu tragen hat. Um zu vermeiden, dass man auf den Kosten einer Klage sitzen bleibt, werden daher vor einer gerichtlichen Geltendmachung üblicherweise Abmahnungen vorausgeschickt.

Konnte nun der Kläger den Zugang der Abmahnung beim Beklagten nicht beweisen, kam es darauf an, wer die Beweislast für die Kostenfolge des § 93 ZPO, also der Kostentragungslast beim Kläger, hat.

Der BGH folgerte aus der Kostenüberwälzung im Falle des sofortigen Anerkenntnis vom Beklagten auf den Kläger, dass der Beklagte beweisen muss, dass er vor der Klage nicht abgemahnt wurde – spiegelbildlich also der Kläger den Zugang der Abmahnung nicht zu beweisen habe.

Da es sich auf Beklagtenseite um eine negative Tatsache handelt, also den Beweis, wonach etwas nicht erfolgt ist, stellten die Richter fest, dass dem Beklagten hier keine unzumutbare Belastung aufgebürdet werden darf. Der Beklagte habe vielmehr die Möglichkeit, die Tatsache, aus der sich ergibt, dass er keinen Anlass zur Klage gegeben hat, beispielsweise durch Benennung von Büropersonal zu erbringen. Bestreitet der Beklagte dagegen einfach nur, dass ihn eine Abmahnung nicht erreicht habe, so reicht ein qualifiziertes Vorbringen des Klägers zu den konkreten und detaillierten Umständen der Versendung aus, um die für ihn nachteilige Kostenfolge zu beseitigen.

Praxistipp

Aus der Grundsatzentscheidung folgt, dass das Risiko einer für ihn nachteiligen gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich beim Beklagten liegt, wenn er den Zugang einer Abmahnung bestreitet. Dies bedeutet für die Praxis – und dies ist eine generelle Empfehlung – dass ein Abgemahnter auf eine Abmahnung erwidern sollte. Der Inhalt einer Erwiderung richtet sich nach der konkreten Fallsituation und mag von der Abgabe einer Unterlassungserklärung in klaren Fällen über die Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und Präjudiz und unter Verwahrung gegen die Kosten bis hin zu einer Gegenabmahnung mit der Androhung einer negativen Feststellungsklage reichen. Generell hat der Abgemahnte bei eindeutigen Fällen durch eine Abmahnung den Vorteil einer außergerichtlichen Erledigung und kann dadurch Prozesskosten sparen.

Für den Abmahnenden gilt zwar nach der BGH-Entscheidung, dass dieser den Zugang nicht zu beweisen hat. Da aber dennoch auch der Entlastungsbeweis durch den Beklagten möglich ist, sei an dieser Stelle die Empfehlung wiederholt, die wir bereits früher veröffentlicht haben: Versenden Sie eine Abmahnung am besten per Einschreiben oder parallel auf mehreren Kanälen, also mit einfacher Post und per Telefax und/oder E-Mail. Das macht es für den Empfänger schwieriger zu behaupten, er habe keine Abmahnung erhalten. „Steht fest, dass die Abmahnung als Brief, als Telefax und als E-Mail versandt worden ist, erscheint das Bestreiten des Zugangs von vornherein in wenig glaubhaftem Licht“, so der BGH.