LG München: Zur Zulässigkeit generischer Domain-names

LANDGERICHT MÜNCHEN I
Az.: 4 HKO 13251/00

Verkündet am 28.9.2000

IM NAMEN DES VOLKES!

URTEIL

In dem Rechtsstreit

wg. Unterlassung

erläßt das Landgericht München I, 4. Kammer für Handelssachen, durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Wolf, Handelsrichter Gärtner und Handelsrichter Hauck aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.9.2000 folgendes

Endurteil:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 5.500,– vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verwendung der Domain www.autovermietung.com.

Die Klägerin und die Beklagte zu 2 sind zwei international operierende Autovermietungen mit marktführender Stellung, die Beklagte zu 1 ist als Inhaberin des Domainnamens www.autovermietung.com eingetragen und für die Beklagte zu 2 als Internet-Provider tätig. Die Beklagte zu 2 ist unter der Bezeichnung „Europcar international“ als Inhaberin des Domainnamens www.europcar.de eingetragen.

Bei Öffnung der Seite www.autovermietung.com wird man automatisch zu der Homepage der Beklagten zu 2 unter dem Domainnamen europcar.de weitergeleitet (sog. Second-Level-Domain im Gegensatz zu einem sog. Portal).

Die Klägerin ist Inhaberin mehrerer Domains, die von ihrer Namensbezeichnung her ebenfalls auf das Mietwagengeschäft im weitesten Sinn hinweisen, keinen unterscheidungskräftigen Firmenzusatz enthalten und bei welchen ebenfalls auf die Homepage der Beklagten durchgeleitet wird; weiter hält die Klägerin auch zahlreiche Homepages, welche die geschäftliche Bezeichnung der Klägerin zum Inhalt haben.

Die Klägerin behauptet, die Beklagten würden sich das typische Suchverhalten der Nutzer im Internet zu nutze machen, da ein nicht unerheblicher Teil der Nutzer den Zugang zu bestimmten Seiten nicht mittels einer Suchmaschine, sondern über die Direkteingabe von Domainnamen suchen würde.

Sie ist insbesondere unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Hamburg – Mitwohnzentrale – (CR 99, 779) der Ansicht, dass eine wettbewerbswidrige Behinderung des Leistungswettbewerbs zu Lasten der Klägerin vorliege. Durch die Verwendung rein beschreibender Domainnamen würde die Suche von Internetnutzern kanalisiert werden. Die Klägerin hätte daher einen Unterlassungsanspruch, jedenfalls aber einen Anspruch, dass die Beklagten auf der Homepage durch ein Link auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin hinweisen.

Sie hat daher mit dieser Begründung beantragt:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

a) zu Zwecken des Wettbewerbs den Domainnamen „www.autovermietung.com“ ohne unterscheidungskräftige Zusätze im Datennetz Internet, insbesondere im World Wide Web, als Hinweis auf ihr eigenes Unternehmen zu nutzen,

und/oder

b) automatisch von der Homepage www.autovermietung.com auf die eigene Homepage unter dem Domainnamen www.europcar.de umzuleiten, sofern nicht auf der Eingangsseite der Homepage unter dem Domain-Namen www.autovermietung.com durch einen Link auch auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin hingewiesen wird.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.

Sie tragen vor, auch die Klägerin sei Inhaberin von Internet-Domains, bei welchen automatisch auf die Homepage der Klägerin www.e-sixt.de weitergeleitet werde. Die von der Klägerin behaupteten Suchgewohnheiten der Nutzer würden nicht bestehen, vielmehr sei es üblich, dass Suchmaschinen benutzt werden; sie sind weiter der Ansicht, dass eine unzulässige Behinderung des Wettbewerbs nicht vorliegen wurde.

Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 28.09.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Domain „autovermietung.com“ aus §§ 1, UWG unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Behinderung-, ebenso sieht der Klägerin gegen die Beklagten kein Anspruch auf Einfügung eines Links in einem noch einzurichtenden Portal mit Hinweis auf ihren Geschäftsbetrieb zu.

Die Verwendung der Domain „autovermietung.com“ durch die Beklagte zu 2 stellt sich nicht als wettbewerbswidrige Behinderung des Leistungswettbewerbs zu Lasten der Klägerin dar. Sie führt zu keiner unzulässigen Kanalisierung der Kundenströme, durch welche die Chancengleichheit im Wettbewerb gestört würde.

I.

Nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung zur Verwendung von Gattungsbegriffen als Domainnamen ist festzustellen, dass eine solche nicht grundsätzlich als unlautere Behinderung in Form des Abfangens von Kunden angesehen wird (OLG Hamburg, CR 1999, 779 Mitwohnzentrale- LG Hamburg, CR 2000, 617 – lastminute.com; OLG Braunschweig, CR 2000, 614 – stahlguss.de, zum Streitstand auch Renck, WRP 2000, 264ff.)

Nach Ansicht des OLG Hamburg kommt es bei der Entscheidung der Frage entscheidend auf die Suchgewohnheiten der Nutzer im Internet an. Da repräsentative Erkenntnisse dazu, auf welchem Weg die Informationserschließung im Internet erfolgt, nicht vorlägen und es nach Überzeugung des Senats „den Internet-Nutzer“ als für die Beurteilung der Suchgewohnheiten zugrundeliegenden Typus nicht gäbe, könne Maßstab für die Feststellung des Verhaltens der maßgeblichen Verkehrskreise nicht ein einheitliches Verhalten sein. Für eine wettbewerbswidrige Behinderung reiche es aus, wenn zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Internet-
Nutzer den Zugang zu Homepages nicht mittels einer Suchmaschine, sondern über eine Direkteingabe der Internet-Domainadresse versuchen. Eine solche tatsächliche Übung hat das Oberlandesgericht Hamburg unter Berufung auf eigene Sachkunde für die Domain „mitwohnzentrale.de“ bejaht.

Dem Hanseatischen Oberlandesgericht ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als dass es im Einzelfall darauf ankommt, ob die Internet-Nutzer tatsächlich abgefangen werden, d.h. nicht nach einem anderen Angebot suchen oder nicht erkennen, dass es überhaupt andere Angebote gibt.

Als maßgeblich erweist sich damit der Umstand, ob der Sucher neben dem Treffer, den er durch Eingabe eines Domain-Namens direkt erzielt, noch weitere Anbieter ermitteln oder erkennen kann.
In Übereinstimmung mit Renck (WRP 2000, S. 267) kommt es nach Überzeugung der Kammer jedenfalls unter anderem darauf an, ob der im konkreten Fall suchende Internet-Nutzer nach Eingabe der allgemeinen Bezeichnung bzw. Gattungsbezeichnung auch noch nach anderen Anbietern suchen wird. Dies wird sicherlich dann der Fall sein, wenn er schon aus der Werbung weitere Unternehmen als Anbieter kennt.

Grundsätzlich ist damit festzustellen, dass sowohl die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Verwendung eines allgemeinen Begriffs bzw. einer Gattungsbezeichnung als Internet-Domain wettbewerbswidrig ist, als auch die tatsächliche Feststellung, wie sich die Suchgewohnheiten der Internet-Nutzer tatsächlich gestalten, nur jeweils im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falls zu bestimmen ist.

II.

Im vorliegenden Rechtsstreit waren für die Kammer insbesondere folgende Umstände entscheidungserheblich:
Zunächst war von Bedeutung, dass mit der Beschreibung „Autovermietung“ der Tätigkeitsbereich der Klägerin und der Beklagten zu 2 nicht abschließend beschrieben ist, sondern dass gerade im Bereich der gewerblichen Mietwagenvermittlung weitere beschreibende Kennzeichnungen vorhanden sind. Hierbei sind insbesondere der umgangssprachlich noch immer bedeutsame Begriff des „Autoverleihs“ anzuführen, der nach eigener Kenntnis der Kammer weit verbreitet ist. Auch die Begriffe „Leihwagen“ oder „Mietwagen“ sind im Zusammenhang mit Autovermietungen weit verbreitet, so dass schon aus diesem Grund eine maßgebliche Kanalisierung der Verbraucherkreise durch die Verwendung der Domain „autovermietung.com“ nicht zu erwarten ist. Dies ist ein erheblicher Unterschied etwa zu der Domain „mitwohnzentrale.de“, da hier weitere schlagwortartige Begriffe, die das Angebot ebenso zutreffend beschreiben, nicht ohne weiteres vorstellbar sind.

Hinzukommt dass gerade im Gewerbe der Autovermietung die Marktführer beim Publikum namentlich bekannt sind, insbesondere die Parteien Sixt und Europcar, aber auch Avis, Budget, Hertz, die frühere Firma Interrent u.a.. In diesen Fällen wird der Internet-Nutzer, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehören, wenn er seine Suche mittels der Direkteingabe von Domain-Namen beginnt, zunächst unmittelbar unter den bekannten Marktführern suchen, um sich eine Angebotsüberblick zu verschaffen.

Ein Internet-Nutzer, der Auskunft über die Firma Siemens sucht, wird keine beschreibende Domainbezeichnung eingeben, sondern zunächst versuchen, unmittelbar unter der Domain „siemens.de“ fündig zu werden.
Aus dem gleichen Grund – der in weiten Teilen der Verkehrskreise bekannten marktführenden Firmen der gewerblichen Autovermietung – wird ein Internet-Nutzer, der die streitgegenständliche Domain aufruft und feststellt, dass er zur Homepage der Beklagten zu 2 durchgeschaltet wurde, seine Suche nach weiteren Angeboten nicht beenden, da er nicht davon ausgeht, dass es sich bei  der Firma Europcar um den einzigen Anbieter von Mietwagen handelt.
Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst Inhaberin von zahlreichen Domains ist, die nur zum Teil einen Bezug zu der Firmenbezeichnung der Klägerin aufweisen. Aus den von der Beklagten zu 1 vorgelegten Anlagen B 1 und B 2 wird ersichtlich, dass eine wettbewerbswidrige Störung der Chancengleichheit durch Benutzung der verfahrensgegenständlichen Domain durch die Beklagte zu 2 nicht zu befürchten steht.

III.

Aus diesen Gründen kommt auch ein Anspruch der Klägerin auf Einrichtung eines Portals mit Hinweis auf ihren eigenen Geschäftsbetrieb nicht in Betracht.
Ergänzend ist festzustellen, dass sich ein solcher Anspruch auch nicht mit den Realitäten vereinbaren lassen würde, da ansonsten jedem gewerblichen Autovermieter ein entsprechender Anspruch eingeräumt werden müsste. Angesichts der zahlreichen Anbieter auf diesem Markt wird deutlich, dass hierin eine Lösung nicht gesehen werden kann.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.