Internet World Business, 18-2007, Seite 10

Die Nutzung geschäftlicher Systeme für private Zwecke ist – auch bei Unternehmen aus der Onlinebranche – immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass auch im Falle exzessiver Internetnutzung als schwere Vertragspflichtverletzung ein Arbeitgeber ohne Abmahnung das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht kündigen kann (Az.: 2 AZR 200/06). Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage angestrengt. Bei der Überprüfung des PC des Arbeitnehmers sicherte der Arbeitgeber eine Reihe von Bild- und Videodateien mit erotischem Inhalt. Über die History-Funktion des Browsers wurde festgestellt, dass von diesem PC Erotikseiten abgerufen wurden – während der Arbeitnehmer an diesen Tagen Überstunden abrechnete.

Dies reichte nach Ansicht der Richter nicht aus, um die Kriterien für eine verhaltensbedingte Kündigung als sozial gerechtfertigt im Sinne des Paragrafen 1 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz zu erfüllen. Das höchste deutsche Arbeitsgericht hob die hilfsweise erklärte ordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Landesarbeitsgerichts ebenfalls auf und verwies zur weiteren Tatsachenfeststellung an die Vorinstanz zurück. Die außerordentliche, also fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, wurde in allen Instanzen als unbegründet angesehen.

Das Bundesarbeitsgericht führt auch für die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aus, dass eine sehr dezidierte Feststellung der Pflichtverletzungen über die Nutzung der Daten, Belastungen und Störungen der betrieblichen Datensysteme sowie die Kosten zu ermitteln gewesen wäre.

Das BAG setzt auf der bisherigen Rechtsprechung auf, wonach nur unter ganz gravierenden Ausnahmetatbeständen eine außerordentliche wie auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung wirksam ist.

Die Richter stellten diesbezüglich klar, dass für eine verhaltensbedingte Kündigung im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung eine negative Sozialprognose dezidiert darzulegen sei.

Eindeutige Regeln erforderlich

Für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer ist es empfehlenswert, im Rahmen einer „Internet- und E-Mail-Policy“ eindeutige Regelungen für die Nutzung des geschäftlichen Dienst-PC am Arbeitsplatz zu vereinbaren.

Nur so lässt sich für den Arbeitgeber sicherstellen, dass die vertraglichen Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers festgeschrieben sind. Solche Verhaltensvorgaben sind nur dann wirksam, wenn deren Einhaltung auch regelmäßig kontrolliert wird. Fehlt es dagegen an einer solchen Regelung und duldet der Arbeitgeber stillschweigend die Privatnutzung, kommt dies einer Erlaubnis zur Privatnutzung gleich. Zwar ist selbst dann eine Kündigung nicht ausgeschlossen; sie lässt sich dann indes nur auf eine völlig exzessive Nutzung beschränken, die im Ergebnis an Betrugstatbestände anknüpft, wonach der Arbeitnehmer seine Leistung als Arbeit angibt, tatsächlich aber nur privat surft.

Zu berücksichtigen ist auch, dass bei einer Erlaubnis zur privaten E-Mail-Nutzung der Arbeitgeber in erhebliche Probleme bei der Archivierung von E-Mails hineinlaufen wird. Denn er hat nach den Grundsätzen des Datenzugriffs und zur Prüfung digitaler Unterlagen (GDPdU) steuerrelevante Daten so zu archivieren, dass ein Prüfer wahlfrei und maschinell auswertbar auf steuerrelevante Daten zugreifen kann.

Da es sich bei geschäftlichen E-Mails häufig um Handelsbriefe handelt, hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass er einerseits diesen Prüfungsanforderungen entspricht, andererseits Belange von Daten- und Persönlichkeitsschutz berücksichtigt.

Für Arbeitnehmer ist es wichtig, dass im Falle einer ausgesprochenen Kündigung die vorstehenden Grundsätze sehr genau zu überprüfen sind. Fehlt es an einer vorherigen Abmahnung, dürfte eine außerordentliche wie eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung häufig nicht wirksam sein.