Lokal abrufbare ausführliche Stellungnahme zum Fall STRATO

Soweit Strato-Kunden tatsächlich von November 1999 bis Februar 2000 keinen Zugang auf ihre Seiten bzw. Mailboxfunktion hatten, steht den Kunden ein Rückzahlungsanspruch zu. Umstritten ist in der juristischen Literatur, wie ein Internetprovider-/Webhosting-Vertrag meist als Dauerschuldverhältnis in das System des Bürgerlichen Gesetzbuches einzuordnen ist. Maßgeblich sind die im konkreten Fall vereinbarten Hauptleistungspflichten. Bei einem Webhostingvertrag geht die überwiegende Ansicht im wesentlichen von einem Mietvertrag aus, so dass im vorliegenden Fall ein Minderungsanspruch wohl über den gesamten Betrag wegen fehlender Zurverfügungstellung der Mietsache für den Zeitraum bestehen dürfte. Zwar waren die Seiten abrufbar; eine Pflege der Seiten als ganz elementarer Bestandteil einer Homepagenutzung soll indes nicht möglich gewesen sein, so dass die Mietsache nicht vertragsgemäß nutzbar war.

Gleichzeitig dürfte den Kunden – seien sie privat oder gewerblich – ein außerordentliches Kündigungsrecht zugestanden haben. Nicht zuletzt garantiert Strato ausweislich Ziff. 10 der eigenen AGB eine Verfügbarkeit von 99 % pro Jahr, die als zugesicherte Eigenschaft nicht erbracht worden ist.

Folge der Kündigung ist, dass für den Zeitraum, in dem der Vertrag ungekündigt war, Minderung wohl in voller Höhe des Nutzungsentgelts verlangt werden kann. Für den Zeitraum danach fehlt der Rechtsgrund für die Zahlung, nämlich der Providervertrag durch Kündigung entfallen ist, so dass auch der Restbetrag zu erstatten ist.

Zu ergänzen ist, dass Strato in § 12 Abs. 2 der AGB die Pflicht des Kunden normiert, Störungen unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Tagen schriftlich oder per E-Mail anzuzeigen. Ich bin jedoch der Auffassung, dass eine solche Anzeigepflicht angesichts der Offensichtlichkeit und Dauer der Störung entbehrlich ist, so dass eine Berufung auf die Verletzung einer Anzeigepflicht nach diesseitiger Auffassung nicht greift.

Soweit durch die fehlende Verfügbarkeit ein Schaden entstanden ist, stehen den jeweiligen Kunden Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zu, da es sich bei der Garantie der Verfügbarkeit um eine zugesicherte Eigenschaft handelt. Für Privatkunden ist dies jedoch im wesentlichen nur Theorie, da diesen in der Regel durch den fehlenden Zugriff auf ihre Webseite kein Schaden entsteht.

Anders dagegen bei Gewerblichen: Soweit es sich beispielsweise um einen Internetshop handelt, der für eine gewisse Dauer nicht verfügbar war, dürften hier Schadensersatzansprüche dem Grunde nach greifen. Der Höhe nach hat Strato in ihren AGB die Schadensersatzansprüche beschränkt. Letztendlich ist es doch Tatfrage welches Maß an Verschulden Strato für den Ausfall vorzuwerfen ist und inwieweit die Haftungsbeschränkungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam sind.

Hinsichtlich des Angebots des Services „Premium NT“ gilt das Vorgesagte dem Grunde nach ebenfalls. Zur abschließenden Beurteilung fehlen hier nähere Details. Soweit es sich jedoch um eine Leistungsstörung handelt, indem ein Teil der vertraglich zugesicherten Leistungselemente nicht erbracht werden, hat Strato nach Ziff. 12 Abs. 1 der AGB zwei Nachbesserungsversuche, so dass dem Kunden anzuraten ist, hier die Störung unverzüglich anzuzeigen und zur Erbringung der vollständigen Leistung aufzufordern. Demgemäss greifen auch hier Minderungs- und Rückzahlungsansprüche und besteht ggf. ein Kündigungsrecht.

Darüber hinaus dürfte – sollte sich dies bestätigen – die Anpreisung einer Leistung, die tatsächlich nicht erbracht werden kann, auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht unter dem Aspekt der Irreführung nach § 3 UWG bedenklich sein, so dass sich eventuelle Mitbewerber dafür interessieren könnten.

Als Ergebnis ist zusammenzufassen, dass Strato wie jeder andere auch eine Zahlung grundsätzlich nur für erbrachte Leistungen verlangt werden kann. Fehlt es an der Leistung teilweise oder zur Gänze kann entsprechende Rückzahlung beansprucht werden. Da es häufig nur um vergleichsweise geringe Beträge geht, dürften einzelne das Prozesskostenrisiko und den mit einem Verfahren verbundenen Aufwand häufig scheuen. Da jedoch nach nicht näher bekannten Informationen ggf. mehrere 100.000 Nutzer hiervon betroffen sind, bietet sich nach amerikanischen Muster, wie in anderen Zusammenhängen auch, eine ebenso starke Formierung einer Interessengemeinschaft an, die aus einer Hand vertreten werden.

Links zum Thema:

NEU!   Heise.de :Strato bei Site-Abschaltung schadensersatzpflichtig
silicon.de
Vertragsrecht