Internetworld 10/04, S. 16

Das Landgericht München entschied Mitte Mai diesen Jahres, dass Open-Source-Bedingungen wie die General Public License (GPL) auch nach deutschem Recht grundsätzlich wirksam sind und ein Verstoß dagegen eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann (Az. 21 O 6123/04). Im konkreten Fall hatte der Hersteller eines WLAN-Routers die unter der GPL stehende Software „netfilter/iptables“ auf seiner Homepage zum Download angebotenen, ohne jedoch auf den Lizenztext der GPL hinzuweisen, diesen Text beizufügen sowie den Sourcecode lizenzgebührenfrei zugänglich zu machen.

Da diese Verpflichtung jedoch jeden trifft, der Open-Source-Software (OSS) bearbeitet, kopiert oder weiterverbreitet, wurde dies als Verstoß gegen die GPL angesehen und als Lizenzverlust nach § 4 GPL bewertet.

Das Urteil des Landgerichts München bestätigt damit zum Einen, dass auch OSS urheberechtlichen Beschränkungen unterliegt, zum Anderen gibt es Anlass, sich mit speziell für Entwickler relevanten Themen wie Haftung und Urheberrecht auseinander zusetzen.

Vorab ist klar herauszustellen, dass OSS, wie z.B. Linux, nicht völlig frei von Urheberrechten ist, wie dies teilweise kommuniziert wird. Unter „frei“ ist insoweit die kostenlose Nutzung, freie Bearbeitung und Weitergabe zu verstehen, die jedoch immer zwingend an die Voraussetzungen der anwendbaren GPL und deren Einbeziehung gebunden ist. Dem Nutzer werden üblicherweise einfache Nutzungsrechte eingeräumt, die insbesondere das Bearbeiten, Kopieren und Verbreiten des Quelltextes erlauben. Ebenso üblich ist die Ausgestaltung von US-amerikanischen GPL, wonach jede angefertigte und verbreitete Kopie einen Copyrightvermerk, einen Gewährleistungs- und Haftungsausschluss sowie den Text der GPL zu enthalten hat. Zudem muss der Sourcecode lizenzentgeltfrei zugänglich sein.

Bei dem aus dem US-amerikanischen Recht herrührenden Vertragsmodell steckt bei der Umsetzung dieser Bedingungen unter deutschen Recht der Teufel im Detail. Der speziell bei US-amerikanischen GPL kodifizierte Haftungsausschluss ist nach deutschem AGB-Recht regelmäßig unwirksam. Dies hat zur Folge, dass derjenige, der Software unter deutschem Recht GPL-konform weitergibt, ggf. vollumfänglich haftet. Gleiches gilt bei Bearbeitung von OSS für einen Auftraggeber. Der Auftragnehmer hat indes einerseits nach der GPL für OSS die Haftung auszuschließen. Andererseits wäre ein solcher Ausschluss nach deutschen AGB-Recht unwirksam, sodass der Entwickler nach den gesetzlichen Bestimmungen (voll) haftet, im Verhältnis zum Urheber aber häufig keine Ansprüche wegen fehlerhafter OSS hat, da der Haftungs- und Gewährleistungsausschluss nach ausländischem Recht zwischen Urheber und Entwickler wirksam sein kann.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Entwickler, der OSS einsetzt, sich nicht nur über Funktionalität, sondern auch über Fehler unterrichten muss, um gegenüber seinem Auftraggeber keine böse Überraschung zu erleben. Verstößt der Lizenznehmer ferner gegen seine Pflichten, erlöschen – wie im Fall des LG München – seine Nutzungsrechte.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Verbindung und Vermischung von selbst entwickelter Software mit Bestandteilen von OSS.

Open-Source in neuer Software

Ziel ist es häufig, Investitionen in Softwareentwicklung durch eine kommerzielle Verwertung der Software wieder zurückzuholen. Soweit der Entwickler aber Programmbestandteile von OSS einsetzt, d. h. den OSS-Sourcecode bearbeitet und weiterentwickelt, greift wiederum die GPL mit der Folge, dass sowohl die Weitergabe gegen Lizenzentgelt untersagt ist, als auch der Bearbeiter den neuen Quellcode frei verfügbar zu offenbaren hat. Die GPL greift dabei unabhängig davon, in welchem Verhältnis der Umfang der Eigenentwicklung zum Gesamtprogramm oder dessen Funktionalitäten steht. Dies hat wiederum zweierlei wichtige Konsequenzen: Erstens erhält der Auftraggeber keine rechtefreie Software; vielmehr unterliegt diese vollumfänglich den GPL. Dies stellt bei der vertraglichen Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte einen Rechtsmangel dar. Zweitens folgt aus der Verpflichtung zur Offenbarung des Sourcecode, dass auch spezielles Know-how, dass in die Entwicklung der bearbeiteten Software eingeflossen ist, zugänglich wird.

Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn der GPL-Code nicht unmittelbar integriert wird, sondern eine Koppelung über Schnittstellen erfolgt. Diese Ausnahme gilt, wenn einzelne abgrenzbare Bestandteile des Gesamtprogramms nicht vom GPL-Programm abgeleitet sind und „vernünftigerweise“ als unabhängige und gesonderte Werke angesehen werden können. In rechtlicher Hinsicht besteht hier das Risiko, dass die Abgrenzung fließend ist (Schnittstelle oder „Workaround“) und die Beurteilung bzw. Code-Interpretation durch einen Sachverständigen zu erfolgen hat. Gleichzeitig fehlt es diesbezüglich in den USA wie in Deutschland an Rechtsprechung, sodass mangels Rechtssicherheit der diesbezügliche Investitionsschutz ebenso gering ist.

Fazit ist somit, dass jeder, der die Vorzüge von OSS für sich in Anspruch nehmen möchte, sich gleichzeitig mit den rechtlichen Risiken auseinander zu setzen hat.